Stollenluft

Furggels, Stollen zwischen Tanklager und Wasserreservoir. Kilometerlange Gänge durchdringen die Schweizer Alpen. Wohin führen sie? Wer hat sie angelegt? Auch nach der sogenannten Entklassifizierung bergen die Festungswerke aus dem 2. Weltkrieg noch zahlreiche Geheimnisse.
Bitte treten Sie näher.

Liebe Bunkerfreundin, lieber Bunkerfreund

Die dunklen Labyrinthe in den Schweizer Bergen haben mich schon immer fasziniert. Ich habe meine ganze Dienstzeit in den geschichts­trächtigen Kavernen verbracht, den Löwenanteil in den Werken Magletsch und Furggels. Diese beiden Anlagen bildeten zusammen mit Castels das Rückgrat der Festung Sargans. Meine feldgrauen Erinnerungen habe ich jetzt in einem Buch gesammelt.

Ich möchte Sie gern zu einer eindrücklichen Geschichts­stunde einladen. Steigen Sie mit mir hinunter in die Felsennester und machen Sie sich ein Bild, wie die Wehrmänner zwischen Stockbett und Kampfstand ihre Zeit verbracht haben. Man kann sich heute fast nicht mehr vorstellen, wie die Festungen aus dem 2. Weltkrieg prall mit Leben gefüllt waren, ehe sie Mitte der Neunzigerjahre ihre Bedeutung verloren und entweder zugemauert oder in Museen umgestaltet wurden. Gar so trostlos, wie allgemein angenommen wird, war der Aufenthalt unter Tage nicht. Wenn die Kameradschaft und das Angebot der Kantine stimmten, liess es sich in den weitverzweigten Gängen durchaus angenehm leben. Natürlich waren die Diensttage oft von Langeweile und Monotonie geprägt, aber was in der Erinnerung haften bleibt, das sind die vergnüglichen Ereignisse, und davon gab es mehr als genug.

Warum befand sich am 8. März 1971 um drei Uhr in der Früh fast die halbe Kompanie auf den Beinen? Gemäss Tagesbefehl war doch Nachtruhe verordnet. Was hatten die Zwillings­schwestern Silvia und Lucrezia im Artilleriewerk Crestawald verloren, und was war gemeint, wenn von einem Stollenfuchs die Rede war? Die überraschenden Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie in meinem Buch.

«Stollenluft» lebt aber von den Bildern aus den Festungswerken. Insgesamt sind es 296 Farb­fotos, die ich zum grössten Teil selbst in den dunklen Labyrinthen geknipst habe. Vor der Armee­reform 95 hätten die Bilder eine riesige Flut von Gerichts­verfahren bei der Militärjustiz ausgelöst. So ändern sich die Zeiten. Fünf der beschriebenen Anlagen befinden sich auf St. Galler Kantonsgebiet entlang des Rheins zwischen St. Mar­grethen und Pfäfers/St. Mar­grethen­berg. Dazu kommen noch ein Artilleriewerk und eine Sperrstelle im Kanton Graubünden und als letztes die Gotthardfestung Sasso da Pigna auf dem Gemeindegebiet von Airolo.

Meine Publikation soll nicht zuletzt eine Würdigung der unzähligen Mineure und Arbeiter sein, die ihre Arbeitskraft, ihre Gesundheit und leider oft auch ihr Leben für die Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz geopfert haben. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass die grandiosen Bauwerke, die unter primitivsten Bedingungen entstanden sind, nicht in Vergessenheit geraten.

Kurt Kaufmann